Sunday, October 29, 2006

Offene Aussprachen und offene Geheimnisse

Während House und Wilson ein freies Wochenende verbringen (dessen Auftakt ein herrliches Abendessen war, wie ich gerade las), ist das "Trio Infernale" (Cameron, Chase und ich) mit Ginger im Schlepptau gestern Morgen wieder zum Klinikdienst im PPTH erschienen. Dieses Mal durften wir mit den Folgen der Grippe-Epidemie von Mittwoch kämpfen. Soll heißen: Dieses Mal kamen alle die Leute, die sich am Mittwoch in ihrer Panik hatten impfen lassen, die Spritze (oder vielmehr ihre Nebenwirkungen) nicht vertrugen... und jetzt erst recht krank waren. Ich liebe diesen Job!
Zwar hatten wir alle Hände voll zu tun, aber es nahm keine extremen Ausmaße an. Und so blieb uns um 12.30 Uhr sogar Zeit für eine einstündige Mittagpause. Chase und Cameron fuhren zu dem chinesischen Schnellrestaurant um die Ecke, um unsere Bestellung abzuholen. Während ich in meinem Büro hockte und auf sie wartete, klopfte es plötzlich an meiner Tür und Ginger streckte ihren Kopf herein.

"Haben Sie vielleicht fünf Minuten Zeit für mich, Dr. Foreman?" fragte sie.

Oh Gott!!! Sie will mit mir reden, sie will mit mir reden, sie will mit mir reden!!! Cameron!!! Chase!!! Kommt zurück!!!

Ich war vollkommen unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen und konnte Ginger bloß anstarren. Ob sie mich jetzt auf das Date ansprach? Was, wenn ja? Was sollte ich antworten? Essen? Kino? Durchbrennen? Heiraten? Und was, wenn nein?

"Dr. Foreman!" Ginger unterbrach meine Gedankenlawine. "Haben Sie..."

Ich räusperte mich vernehmlich. "Aber natürlich. Ich habe auch zehn Minuten Zeit für Sie. Oder eine halbe Stunde."

Ganz zu Schweigen vom Rest meines Lebens...

"Okay", antwortete sie etwas zögernd und nahm auf dem Besucherstuhl Platz. Ginger sitzt grundsätzlich immer auf der vorderen Stuhlkante. Chase, Cameron und ich warten auf den Tag, an dem sie während einer unserer Besprechungen das Gleichgewicht verliert und fällt.

"Was kann ich für Sie tun, Miss Granger?" fragte ich.

"Ich wollte von Ihnen wissen, ob alles in Ordnung ist."

Also, damit hatte ich nicht gerechnet! "Öhm... Gibt es einen Grund, weswegen nicht alles okay sein sollte...?" entgegnete ich teilweise verblüfft, teilweise verwirrt.

Ginger zuckte die Schultern. "Sagen Sie's mir. Dr. Foreman - Sie starren mich die ganze Zeit über an!"

Ups...

"Und Sie reden kaum ein Wort mit mir!" fuhr sie fort. "Sogar Chase ist gesprächiger!"

Ich dachte an die üblichen Nettigkeiten, die Ginger und Chase tagtäglich austauschen, sobald sie sich begegnen. Cameron und ich hatten mit einer Mischung aus Staunen und Amüsiertheit festgestellt, dass das, was andere Menschen als "anschnauzen" oder "anblaffen" bezeichnen, für die beiden eine völlig normale Art und Weise von Kommunikation untereinander darstellt. Niemand kann das nachvollziehen - außer vielleicht Dr. House. Aber trotzdem ist und bleibt es eine Tatsache. Wenn Chase und Ginger voreinander stehen, scheint sich die Luft elektrisch aufzuladen. Dann sprühen die Funken - und jeder geht seiner Arbeit nach.

"Dr. Foreman! Hören Sie mir zu?"

"Selbstverständlich", beeilte ich mich zu sagen. "Ich habe jedes einzelne Wort registriert. Und ich versichere Ihnen, dass mein Verhalten Ihnen gegenüber nicht beabsichtigt ist. Ich bin zur Zeit nur ein bisschen gestresst. Der Besuch meiner Eltern und das Zusammenleben mit Chase fordern ihren Tribut. Aber es tut mir aufrichtig leid, dass ich Sie vor den Kopf gestoßen habe."

Ginger winkte ab. "Nein, dass muss Ihnen nicht leid tun. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass Sie gestresst sind. Aber sicherheitshalber wollte ich mal nachfragen. Es hätte ja sein können, dass Sie mich nicht mögen."

Verdammt!

"Unsinn!" rief ich. "Natürlich mag ich Sie!" Ich schluckte. "Sogar sehr!"

Ginger lächelte. "Dann bin ich beruhigt. Wissen Sie, ich lege einen großen Wert auf klare Verhältnisse. Wenn jemand von Ihnen ein Problem mit mir haben sollte, genügt ein Wort bei Dr. Cuddy und ich verschwinde wieder im Zentrallabor. Ganz einfach. Ich könnte es Ihnen noch nicht einmal verübeln. Ich weiß, dass ich ein überaus gewöhnungsbedürftiger Mensch bin und von Zeit zu Zeit eine zu große Klappe habe."

Es kostete mich eine Menge Überwindung, aber ich war aufgestanden, um meinen Schreibtisch herum gegangen und hatte mich vor Ginger auf die Tischplatte gesetzt. Mein Herz raste wild und mir wurde schwindelig, als ich nach ihrer Hand griff.

"Miss Granger", sagte ich. "Bitte glauben Sie mir – ich mag Sie sehr. Ich habe kein Problem mit Ihnen. Und schon gar nicht die Absicht, Sie zurück ins Zentrallabor zu schicken. Im Gegenteil. Ich finde, Sie passen perfekt in diese Abteilung. Gerade weil Sie – wie Sie sagen – ein gewöhnungsbedürftiger Mensch mit einer großen Klappe sind."

Ich hielt noch immer ihre Hand in meiner und Ginger schaute mich von unten herauf an. Sie lächelte und ihre grünen Augen wirkten wie ein unendlich tiefer See. Ich hatte das Gefühl, darin versinken zu können, und ich glaube, Dr. Wilson und Dr. House können mich verstehen, wenn ich von einem absolut perfekten Moment spreche, in dem die Zeit stehen bleibt.

Ich bemerkte gar nicht, dass Chase und Cameron zurückgekehrt waren und mit dem Essen in meinem Büro standen.

Cameron räusperte sich leicht. "Ich hoffe, wir stören euch nicht."

"Nein, nein", Ginger löste ihrer Hand sanft aus der meinen und stand auf. "Dr. Foreman und ich haben alles besprochen."

Chase grinste. "Davon abgesehen hat unsere rothaarige Psychopathin jetzt einen Termin zur Gesprächstherapie im 6. Stock. Stellen Sie sich vor, gestern Abend habe ich Ihren Kinderarzt aus Alabama ausfindig gemacht und mit ihm telefoniert. Er hat mir erzählt, dass Sie sich mit neun Jahren in psychologischer Behandlung befanden." Er beugte sich zu ihr hinunter und raunte: "Wie lautete die Diagnose doch gleich? Erhöhtes Aggressionsverhalten?"

"Richtig", antwortete Ginger. "Aber soweit ich das Terminbuch aus dem 6. Stock in Erinnerung habe, ist die Sitzung um 13.00 Uhr auf den Namen 'Robert Chase' eingetragen." Sie griff mit einer Hand nach seiner Krawatte und zog ihn ein Stückchen näher an sich. "Wie lautete diese Diagnose doch gleich? Das böse Ende einer verhängnisvollen Affäre mit der leitenden Ärztin der Gynäkologie?"

Ich pfiff leise durch die Zähne. "Du hattest eine Affäre mit Dr. Justine Bell? Davon hast du mir nie erzählt!"

"Davon", knurrte Chase. "habe ich niemandem erzählt. Was die Frage aufwirft, wie Miss Granger es in Erfahrung bringen konnte."

Ginger lachte. "Dr. Chase, ich bin eine Frau, die mit einem ganzen Haufen anderer Frauen im Krankenhaus arbeitet! Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass hier irgendetwas geheim bleibt, oder? L’ETAT C’EST MOI!" Mit diesem klangvollen Ausspruch verließ sie mein Büro und schloss die Tür hinter sich.

Chase runzelte die Stirn. Er schaute Cameron und mich an. "Was hat sie gesagt?"

"Das ist französisch", erklärte Cameron grinsend. "Und bedeutet: DER STAAT BIN ICH! Für dich im Klartext: Im PPTH sind wir Frauen an der Macht, denn wir wissen mehr über euch, als ihr erahnen könnt. Alles klar?"

Chase und ich konnten nur nicken.

3 comments:

Dr. James Wilson said...

Sorry wenn ich lache, Dr. Foreman - aber Ms. Granger ist wirklich eine Nummer für sich.

Dr. Gregory House said...

Nein, der Staat bin ICH!
Aber den perfekten Moment kann ich absolut nachvollziehen. Weiter so, Foreman!

Dr. James Wilson said...

Apropos Foreman & Chase ... wie wäre es wenn sie sich bei MSN anmelden würden - es könnte lustig werden ;)

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